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Isabella d’Este, Leonardo da Vinci und Tizian

Isabella d'Este in jungen Jahren

Isabella d’Este (1474-1539), die Markgräfin von Mantua, war eine der faszinierendsten Frauen der Renaissance. Hoch gebildet und künstlerisch interessiert, international bestens vernetzt und der hohen Kunst der Diplomatie kundig, galt sie unter ihren Zeitgenossen als die „Prima Donna del Mondo“, als die Dame von Welt schlechthin. Nicht nur, dass sie in Mantua als Politikerin wirkte: Sie vertrat jahrelang sowohl ihren Mann als auch ihren minderjährigen Sohn als Regentin und bewahrte die Unabhängigkeit ihres kleinen Markgrafentums auch in einer kriegerischen Zeit und trotz ständig wechselnder Allianzen. Überdies machte sie ihren Hof zum Mittelpunkt des kulturellen und künstlerischen Lebens und sich selbst einen Namen als große Mäzenin.
Zahlreiche Gelehrte und Künstler lebten in ihrem Haushalt, und sie ließ ihr berühmtes Studiolo, ihr Studierzimmer, von den großen Meistern ihrer Zeit ausstatten. Doch obwohl Maler und Bildhauer Schlange standen – eines blieb ihr verwehrt: Dass der große Leonardo da Vinci höchstselbst ein Porträt von ihr anfertigte.
Das Universalgenie verbrachte zwar einige Monate an ihrem Hof, und in dieser Zeit machte Leonardo einige Skizzen von Isabella, doch darüber hinaus ließ er sich auf keinen Auftrag ein.

Leonardos Skizze von Isabella

Über Jahre bestürmte Isabella ihn über Mittelmänner immer wieder, sie zu malen, doch entweder war Leonardo anderweitig beschäftigt – so begleitete er Cesare Borgia auf einem Kriegszug und entwickelte dort diverse neues Waffen – oder er hatte gerade keine Lust zum Malen. Und just in jenen Jahren, da er Isabellas Werben eigentlich hätte nachgeben können, arbeitete er an einem anderen Frauenporträt, das die Porträtmalerei revolutionieren würde: der Mona Lisa.
Dass sie mit als berühmtestes Gemälde der Welt gilt, verdankt die Mona Lisa nicht zuletzt einer Begebenheit im Jahr 1911. Damals wurde sie aus dem Louvre gestohlen, woraufhin ganz Paris in Aufruhr geriet. Nicht nur, dass aus dem Mund jedes Pariser Zeitungsverkäufers ein entsetztes „La Jaconde, c’est partie!“ (La Jaconde ist fort!) ertönte – man hielt sogar Gedenkgottesdienste für das verschwundene Gemälde ab. Nachdem man zunächst sogar Pablo Picasso des Diebstahls verdächtigt hat, tauchte das Gemälde 1913 in Florenz wieder auf – wahrscheinlich jener Stadt, wo Leonardo sein Werk begonnen hat. Obwohl das Gesicht der „Mona Lisa“ seitdem tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert ist, ist ihre Entstehungsgeschichte weit weniger bekannt, und bis heute umstritten, wen Leonardo da genau gemalt hat.

Mona Lisa - La Gioconda

Die bisher früheste bekannte Quelle zur Existenz der „Mona Lisa“ stammt aus dem Jahr 1517, als der Sekretär des Kardinals Luigi von Aragon in seinem Reisetagebuch einen Besuch bei Leonardo in Amboise beschreibt. In diesem Zusammenhang erwähnt er das Gemälde, wenn auch noch nicht namentlich.
Mehr Aufschluss gibt darüber mehr als dreißig Jahre nach Leonardos Tod Giorgio Vasari. Der italienische Architekt, Hofmaler der Medici und Biograph italienischer Künstler beschreibt ein Bildnis, das eine Florentinerin namens Lisa darstellt. Wie es bei verheirateten Frauen, die bereits Kinder geboren haben, damals üblich ist, trägt sie den Titel „Mona“ oder „Monna“, der von „Madonna“ abgeleitet ist.
Ist es also möglich, dass die Dargestellte keine idealtypische Schönheit ist, deren Gesichtszüge die von mehreren real existierenden Frauen vereint, wie manche Kunsthistoriker behaupten – sondern Lisa del Giocondo, die Frau eines erfolgreichen Florentiner Kaufmanns?

Leonardo da Vinci

Für diese These spricht jedenfalls, dass sich Francesco del Giocondo und Leonardo höchstwahrscheinlich gut kannten, gehörte zu Francescos Freunden doch Ser Piero, ein einflussreicher florentinischer Notar und Leonardos Vater. Gut möglich, dass der Künstler im Haus der Giocondo in der Via della Stufa ein- und ausgegangen ist. Schriftliche Quellen aber fehlen hierzu – generell ist nicht viel über Lisa del Giocondo bekannt. Sie war die zweite Ehefrau ihres Mannes, die auch den kleinen Stiefsohn großzog, mehrere eigene Kinder gebar und mit etlichen Enkelkindern beschenkt wurde (eines von diesen – Camilla – habe ich zur Protagonistin meines Romans gemacht). Im Jahr 1542 starb sie hochbetagt im Kloster Sant-Orsola, wo sie in ihren letzten Lebensjahren – mittlerweile verwitwet – von den Nonnen betreut wurde. Sie musste nicht mehr miterleben, wie ihre Söhne Bartolomeo und Piero bzw. ihre Enkelsohn Guasparri daran scheiterten, das von ihrem Mann Francesco erarbeitete Vermögen zu wahren, gar zu mehren. Der Stern der Kaufmannsfamilie sank sehr schnell – ihr Namen jedoch blieb unsterblich, denn die Mona Lisa wird im romanischen Sprachraum als „La Gioconda“ bezeichnet.

Via della Stufa in Florenz

Falls es jedenfalls wirklich Lisa del Giocondo war, die Leonardo etwa ab dem Jahr 1503/04 zu malen begann, so stellte das zweifellos einen Affront gegen Isabella d’Este dar, die sich just in dieser Phase so eifrig um ein Gemälde von ihm bemühte. Schließlich war diese eine hochgeachtete Fürstin, Lisa dagegen nur eine Bürgerliche.
Erwiesen ist es zwar nicht, dass Isabella von diesem anderen Porträt überhaupt je erfuhr, doch sie war bekannt für ihren nicht ganz unkomplizierten Charakter. So galt sie als recht stur, unversöhnlich – und eitel. Und deswegen ist es gut möglich, dass die Mona Lisa eng mit der Entstehungsgeschichte eines anderen Gemäldes verknüpft ist, die wesentlich leichter zu rekonstruieren ist.
Leonardo mag einer der größten Künstler der Renaissance gewesen sein – aber sich ihm ebenbürtig fühlte sich der Venezianer Maler Tiziano Vecellio, genannt Tizian.

Tizian

Und selbiger hat zwischen 1534 und 1536 ein Porträt von Isabella gemalt, wie es einem Brief vom 29. Mai 1536, in dem Isabella überglücklich dessen Erhalt bestätigte, beweist.
Das Besondere daran: Dieses Gemälde zeigt Isabella nicht in ihrem damaligen Alter, folglich als reife Frau, sondern stellt sie in der Blüte ihrer Jugend dar.
Es gibt verschiedene Gründe, warum das so sein könnte. Offenbar bereute sie es tief, dass sie ein Porträt von sich, das der Künstler Francia im Jahr 1511 von ihr gemalt hatte, an einen Sammler aus Ferrara verschenkte, und suchte womöglich für dieses einen würdigen Ersatz. Tizians Porträt könnte auch ein Beweis dafür sein, dass die alternde Frau ihre schwindende Jugend wie Macht zu beklagen hatte und die Erinnerung an bessere Tage heraufbeschwören wollte.
Oder aber – und dieses Konstrukt liegt meinem Roman zugrunde – sollte Tizians Bild jene nie verwundene Enttäuschung wettmachen, dass Leonardo da Vinci sie nicht porträtiert hat.

Tizians Porträt von Isabella

So oder so hat Tizians Gemälde nie auch nur annähernd gleichen Ruhm erlangt wie die Mona Lisa, deren Reiz wohl auch darin liegt, dass man ihr letztes Rätsel – die wahre Identität der Dargestellten – nie restlos lüften konnte.
Das Tizian-Porträt gehört jedenfalls zu jenen von Isabellas Kunstschätzen, die ihren Tod überdauert haben. Während ein Großteil ihrer umfangreichen Sammlung nach ihrem Tod rasch in alle Himmelrichtungen zerstreut wurde und vieles bis heute unauffindbar blieb – kann Tizians Porträt bis heute im Kunsthistorischen Museum in Wien bewundert werden.