Während meines Paris-Aufenthalts im Jahr 2005 bin ich für eine Woche nach Korsika gereist – für mich das schönste Fleckchen Erde auf dieser Welt. Ich habe die Insel mehr oder weniger umrundet und lernte auch das Cap Corse mit dem malerischen Örtchen Nonza kennen. Dort steht die Kirche Sainte-Julie – meiner Namenspatronin, der Heiligen Julia von Korsika, geweiht. Obwohl ich deren Legende bereits kannte, war es beeindruckend eine Kirche zu betreten und anstelle des gekreuzigten Christus eine gekreuzigte Frau zu sehen. Damals reifte zum ersten Mal die Idee, diese Legende in einem meiner Romane aufzugreifen.
Zwei Jahre später verband sich Julias Geschichte mit einem ganz anderen Romanstoff, mit dem ich seit langem „schwanger“ ging: der Idee, zwei sehr unterschiedliche Menschen – später entwickelten sich meine Protagonisten Caterina und Ray daraus – auf eine Art „Roadtrip“ durch den spätmittelalterlichen Mittelmeerraum zu schicken und sie an der Fremde, an den Herausforderungen und den Gefährdungen reifen und erwachsen werden zu lassen. So entstand die Haupthandlung im Jahr 1284, während die Rahmenhandlung rund um Julia im Jahr 251 spielt.
Da ich Korsika schon kannte, wollte ich auch für die Geschichte von Caterina und Ray möglichst viele Originalschauplätze kennen lernen. Im Languedoc-Roussillon fuhr ich mehrere Tage lang jene Route nach, der die beiden im Roman folgen – ausgehend von Mazamet in den Montagne Noire über Carcassonne zu den Katharerhochburgen in den Pyrenäen, z.B. Montségur, Puilauren und Peyrepertuse. Letzteres war völlig im Nebel versunken – eine Szenerie, die ich dann auch in meinem Roman so beschrieben habe. Später folgte Perpignan mit dem Castell Rei, zuletzt Argèles und Collioure – ein wirklich bezaubernder Küstenort, der noch das Mittelalter atmet.
Drei Monate danach – zu diesem Zeitpunkt war etwa die Hälfte des Manuskripts fertig – ging es nach Malta, jener wahrhaft winzigen, gleichwohl im Laufe ihrer Geschichte stets heftig umkämpften Insel, die ebenfalls zu einer wichtigen Wegstation meiner Protagonisten werden sollte.
Diese Reisen gaben mir nicht nur eine gute Vorstellung von räumlichen Verhältnissen, von Landschaft und Atmosphäre. Vielmehr entstanden viele Szenen und Ideen im Laufe dieser Fahrten, nahmen Protagonisten Gestalt an, wurde an Dialogen gefeilt, indem ich sie vor mir hersprach, um sie später – zurück im Hotel und bei meinem Laptop – aufzuschreiben.
Mit Ray und Caterina lernte ich nicht nur faszinierende Orte und Länder kennen, sondern auch eine Zeit, von der ich – ehe ich mein Recherchen begann – nicht sehr viel wusste. Die Grenzen des damaligen Königreichs Mallorca oder von Aragón waren mir z.B. bis dahin weitgehend unbekannt; auch mit den vielen Machtkämpfen und Kriegen rund um den Mittelmeerraum musste ich mich erst eingehend beschäftigt.
An den heutigen „Urlaubsorte“, wo sich häufig Hotel an Hotel reihen, sind Spuren, die an diese Zeit erinnern, nicht immer auf dem ersten Blick zu finden – doch vielleicht sieht der ein oder andere Leser meines Buches bei seiner nächsten Urlaubsreise in den Mittelmeerraum, sei es nach Korsika, nach Malta oder Südfrankreich, genauer hin und betrachtet die Orte ein wenig mehr aus den Augen meiner Protagonisten.