Schon als Kind habe ich das erste Mal von der Königin Isambour von Frankreich gehört: Ihr Leben wurde in einem Buch über die großen Heiligen der Kirche beschrieben, das ich oft gelesen habe. Darum war sie keine Unbekannte, als ich dieser historischen Persönlichkeit im Verlauf meines Geschichtsstudiums erneut begegnete. Besonders faszinierend war für mich das Geheimnis, das hinter ihrer Hochzeitsnacht zu liegen scheint: Denn gleich danach wurde sie – mit weitreichenden Folgen für das ganze Land – von König Philippe Auguste verstoßen. Vermutungen, was dazu führte, gibt es viele – doch die genauen Gründe liegen bis heute im Dunkeln.
Damals fasste ich zum ersten Mal den Entschluss, über diese Frau einen Roman zu schreiben – allerdings aus der Perspektive einer fiktiven Protagonistin, die ganz das Gegenteil der frommen, demütigen, heiligen Isambour sein sollte: eine stolze und selbstbewusste, außergewöhnlich gebildete und zutiefst rationale Frau. So erblickte die Romanfigur „Athena“, aus der dann später Sophia de Guscelin wurde, das Licht der Welt. Ein erstes Manuskript entstand, in dem ich die Geschichte der beiden Frau von ca. 1190 bis 1237 schilderte und in dem bereits mancher Protagonist des späteren Romans auftauchte – z.B. Théodore oder Frère Guérin.
Mit Anfang zwanzig war ich freilich noch zu jung und mein „schriftstellerisches Handwerk“ zu mangelhaft, um diesem Stoff wirklich gerecht zu werden. So ist das Manuskript bald wieder in der Schublade verschwunden, bis ich – viele Jahre später und kurz bevor mein erster historischer Roman „Engelsblut“ erschien – einen langgehegten Lebenstraum wahr gemacht habe: für mehrere Monate in Paris zu leben. Nicht zuletzt weil ich mit dieser Stadt stets das Leben von Königin Isambour und Philippe Auguste assoziierte, war für mich bald klar, dass ich hier die alte Romanidee wiederbeleben wollte.
Dank meiner früheren Beschäftigung mit dem Thema konnte ich auf eine Menge Rechercheergebnisse zurückgreifen. Wichtig war mir jetzt vor allem, viele Originalschauplätze zu besuchen und mich von ihnen inspirieren zu lassen. Ein Kurztripp in die Normandie und ein Besuch des Klosters von Saint-Michel waren nicht zuletzt dafür ausschlaggebend, dass neben der Haupthandlung um Sophia und Isambour die Rahmengeschichte rund um Äbtissin Roesia entstand.
Als ich Paris verlassen habe, hatte ich ein fertiges „Gerüst“ für den Roman mit im Gepäck, den ich gleich nach meiner Heimkehr zu schreiben begonnen und innerhalb eines halben Jahres fertig gestellt habe.