Im Florenz des 15. Jahrhunderts trat eine Frau in Erscheinung, die in Sachen Schönheit rasch zur Trendsetterin und somit so etwas wie die „erste Influencerin der Geschichte“ wurde.
Simonetta del Cattaneo stammte aus Genua und wurde schon jung mit dem Florentiner Marco Vespucci verheiratet. Sehr glücklich dürfte diese Ehe nicht gewesen sein, jedoch Simonetta mit den besten Beziehungen versorgt haben: Die Vespucci (deren berühmtestes Familienmitglied übrigens Simonettas Schwager Amerigo war, jenem Entdecker, der Amerika seinen Namen gab) waren nämlich enge Freunde der Medici, jener mächtigen Bankiersfamilie, die in der Republik Florenz die Strippen zog. Am schillernden Hof von Lorenzo genannt il Magnifico „der Prächtige“, der selbst vielfach begabt war und gerne Sonetten schrieb, gingen Maler und Dichter ein und aus, und rasch wurde auch Simonetta ein gern gesehener Gast, inspirierte sie die vielen Künstler doch zu Höchstleistungen.
Angelo Poliziano zum Beispiel schrieb begeistert über ihr Erscheinungsbild: „Gedenk ich ihrer, steh ich schon in Flammen, wie sprech ich von dem Wunder ohnegleichen? Könnt eine sie erreichen, sie könnte nicht mit höh’rem Kranz sich kränzen.“ Nicht minder ergeben dürfte ihr auch Giuliano de’ Medici, Lorenzos jüngerer Bruder gewesen sein, gleichwohl der ihr seine Gunst auf etwas profanerem Weg bewies: Er kämpfte auf einem Turnier für sie – und machte sie (höchstwahrscheinlich) zu seiner Geliebten.
Doch ihren Ruhm verdankt Simonetta einem anderen: Sandro Botticelli, damals ein aufstrebender Maler, später einer der ganz großen Meister der Renaissance, verewigte ihre Züge auf gleich mehreren seiner Gemälde: Nebst diversen Porträtstudien gab er einer „Madonna del Magnificat“ ihr Gesicht, auch der Minerva auf „Minerva und Kentaur“ und gleich mehrmals der Venus. Sein berühmtestes Gemälde zeigt die Geburt der Göttin der Liebe und Schönheit, wo sie – gerade erst dem Meer entstiegen und auf einer Muschel stehend – fast gänzlich nackt abgebildet ist. Nur die Hände bedecken Scham und Brust, das gewellte Haar glänzt rötlich-gold in der Sonne, und ihre weiße, reine Haut gleicht einer Marmorstatue.
Diese Blässe wurde nun zum letzten Schrei – und kaum bedacht, dass die Gesichtsfarbe der als „Königin von Florenz“ gehypten Muse einen tragischen Hintergrund hatte. Simonetta Vespucci war nämlich schwer lungenkrank und starb 1476 erst 23jährig. Dem goldenen Katafalk, auf dem ihr Leichnam durch Florenz gezogen wurde, folgten viele ihrer Verehrer, darunter auch die Medici-Brüder. Am größten dürfte die Trauer aber bei Sandro Botticelli gewesen sein: Der Maler, der zeitlebens unverheiratet blieb, verfügte in seinem Testament, in der Kirche Ognissanti begraben zu werden – nur wenige Meter von der Familiengruft der Vespucci und somit Simonettas Grab entfernt.
Ein blasses Gesicht blieb lange über Simonettas Tod en vogue. Zu den gefährlichsten Mitteln, um dieses zu erreichen, zählten übrigens Bleiweißrezepturen, die hohe Deckkraft und seidigen Glanz versprachen, jedoch hochgiftig waren. Je öfter man Bleiweiß verwendete, desto schlimmer Hautschäden zog es mit sich: Nicht nur dass die Haut bei längerer Anwendung fahl-grau wurde, manchmal sogar gelblich oder bläulich und schließlich das Erscheinungsbild einer vertrockneten Frucht annahm – man riskierte überdies Zahnschäden, Mundgeruch, Haarausfall und dauerhafte Lungenschäden. Verzichten wollte man darauf trotzdem nicht – bis in den 50er-Jahren blieb Bleiweiß Bestandteil von Kosmetikprodukten, ehe es endgültig verboten wurde.